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Lacoste – bewegte Geschichte am Nordhang des Luberon

Das kleine Dorf Lacoste am Nordhang des Luberon hat nur rund 400 Einwohner. Dennoch ist es gleich in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. So weisen beispielsweise nur wenige Dörfer in der Provence ein so einheitliches Erscheinungsbild auf wie Lacoste. Dies liegt in erster Linie daran, dass in Lacoste fast alle Häuser aus unverputzten hellem Kalkstein gemauert sind und die Wege mit sehr grobem Kopfsteinplaster ausgelegt sind. Spaziert man durch die engen Gassen, die sich in engen Schleifen den Hang hinauf schlängeln, so fühlt man sich um Jahrhunderte zurück versetzt.

Château de Lacoste – berühmte Besitzer geben sich die Klinke in die Hand

Oben angekommen wartet die nächste Besonderheit: eine alte wieder in Stand gesetzte Burgruine, deren Ursprünge ins 11. Jahrhundert zurückreichen und von der aus man eine tolle Sicht in die Cavalon Ebene hat. Ihre Bekanntheit verdankt das ehemalige Château seinem Besitzer im 18. Jahrhundert, Donatien Alphonse François de Sade, kurz Marquis de Sade. Hier verbrachte der für seine expliziten Beschreibungen abnormer sexueller Praktiken bekannte Schriftsteller einige Jahre seines Lebens und vermutlich ist das Château de Lacoste Vorbild für das fiktive Schloss Silling in „Die 120 Tage von Sodom“ gewesen.

Heute ist die Ruine in Privatbesitz. Der Modschöpfer Pierre Cardin hat sie 2001 zusammen mit zahlreichen anderen Häusern im Dorf erworben und in Teilen wieder aufbauen lassen. Damit vollendete Cardin mit Millionen von Euro was der Vorbesitzer André Bouër ab 1952 mit blanken Händen begonnen hatte. Cardin versucht seitdem Lacoste in einen kulturell bedeutsamen Ort zu verwandeln. Mit dazu beitragen soll das jährlich im angrenzenden Steinbruch stattfindende Musik- und Theaterfestival. Das Bestreben des Modeschöpfers, Lacoste in ein „St. Tropez der Kultur“ zu verwandeln, stößt jedoch nicht bei allen Bewohnern auf Gegenliebe. Das Engagement Cardins fördert zwar den Tourismus, gleichzeitig schießen die Immobilienpreise seitdem explosionsartig in die Höhe. Kein Wunder also, dass nur noch die Hälfte der Bewohner in Lacoste ihren Erstwohnsitz haben. Zahlreiche Ansässige haben sich deshalb im "Verein für eine harmonische Entwicklung von Lacoste" zusammengeschlossen und entwickeln un eigene Vorstellungen zur Zukunft ihres Ortes.

Lacoste – Ort der Bildenden Künste

Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich zahlreiche Künstler in Lacoste niedergelassen. Mit dazu beigetragen hat die Gründung der Kunstschule „Lacoste School of the Arts“ in den 70er Jahren durch den US-amerikanischen Maler Bernard Pfriem. Er war in den 60er Jahren mehrere Male in dem Dorf zu Besuch. Das einst durch Seidenspinnereien zu Wohlstand gekommene Lacoste war nach dem Niedergang dieses Industriezweigs fast komplett verlassen. Die Kunstschule wurde schließlich zum wichtigsten Arbeitgeber im Ort. Heute wird die Schule als Dependance der renommierten Savannah College of Arts and Design aus Atlanta weitergeführt.

Die Waldenser

Ein besonders dunkles Kapitel des Ortes wurde Mitte des 16. Jahrhunderts geschrieben. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam es zu einer zunehmenden Entvölkerung der Ortschaften im Luberon. Um die Orte wieder zu beleben, siedelten die Feudalherren Waldenser in der Gegend an. Diese christliche Glaubensgemeinschaft, die in Lyon ihren Ursprung hatte und zunächst eine Laienbewegung darstellte, zeichnete sich durch eine besonders asketische Lebensweise aus und kritisierte offen die ausschweifenden Missstände der etablierten Kirche. Weder Klerus noch Adelige duldeten diese Kritik und begannen die Waldenser zu verfolgen. 1545 kam es in Lacoste zu einem Massaker an den Waldensern, dem viele Männer und Frauen zum Opfer fielen. Das Erbe der Waldenser konnte in Lacoste jedoch überleben. Nach der Befriedung bekannten sich 1787 zahlreiche Familien im Ort zu ihrem protestantischen Glauben. 1883 wurde schließlich ein Gebetsraum eingerichtet, der seit 1976 als Gemeindesaal fungiert.

Forêt des Cèdres – der Zedernwald

Doch Lacoste ist nicht nur in kultureller und geschichtlicher Hinsicht ein bemerkenswerter Ort. Auf der Gemarkung von Lacoste befindet sich nämlich einer der schönsten Zedernwälder Europas. Auf dem Rücken des Kleinen Luberon pflanzten die Einwohner von Lacoste ab 1861 auf einer Fläche von 207 ha Atlas-Zedern (Cedrus atlantica), die heute einen stattlichen Wald und ein Naturrefugium der ganz besonderen Art bilden. Der Zedernwald kann mit dem Fahrrad oder in einer rund zweistündigen Wanderung erkundet werden.

Essen und Trinken

Nach einem Rundgang durch Lacoste gibt es zwei Möglichkeiten sich zu stärken. Im Café de Sade oder im Café de France. In beiden Restaurant-Cafés lässt es sich gut Essen und Trinken. Dennoch könnten die beiden Einrichtungen unterschiedlicher nicht sein, denn im Café de France mit seiner tollen Aussichtsterrasse treffen sich auch die Dorfbewohner. Anders als das Café de Sade gehört das nämlich nocht nicht Pierre Cardin.

Fotos von Lacoste